Geschichte
Um der Geschichte der Glücksburgischen Friedrichsgarde und ihrer Entstehung gerecht zu werden, muss man ein wenig historisch ausweichen, ist doch gerade die Entstehung der Glücksburgischen Friedrichsgarde durchaus anders, als es gemeinhin der Fall ist im Gilde- und Gardewesen und bei den heutigen Schützenvereinen. Man kann die Garde nicht beschreiben, ohne das Gildewesen und gerade auch die sogenannten Paradecorps und Garden in der Vergangenheit zu beleuchten.
Die Historie des Schützenwesens reicht bei uns zurück bis ins 12. Jahrhundert. Auch in Schleswig-Holstein gibt es derartig alte Gilden, so die Sankt Johannisgilde von Oldenburg von 1192 und die St. Knudsgilde aus Flensburg, die sich auf das Datum der Heiligsprechung des Herzogs Knud Laward im Jahre 1170 zurückführt. Weitere sehr alte Gilden in unserem Land sind die 1380 gegründete Bürgerschützengilde zu Wilster oder die "Große Grüne Gilde" aus Kiel von 1412 oder auch die Flensburger Schützengilde St. Johannes von 1436, die St. Nikolai-Schützengilde ist von 1583. Nicht vergessen darf man die Büdinger Schützengesellschaft von 1353, mit der die Friedrichsgarde eine besonders enge Freundschaft pflegt und die 2003 immerhin ihre 650 Jahre feiern konnte.
Das 14. Jahrhundert überhaupt war das große Gründungsjahrhundert, auch bezogen auf die Bedeutung der Gilden großer Städte. So liest man Hamburg 1355, Dortmund 1378, Hannover 1379, München 1393 oder Göttingen 1394; aber auch Namen wie Reval 1360 oder auch Paris 1390, also nicht nur typisch deutsch.
Der Einfluss dieser Gilden war oft beträchtlich, in Flensburg z.B. war der Ältermann der St. Knudsgilde in alter Zeit auch Bürgermeister der Stadt mit dem Recht, Mitglieder des Rates zu berufen; und diese dürften denn wohl auch Gildebrüder gewesen sein. Diese Gilden hatten alle bei ihrer Gründung einen Grundgedanken: Das war der Schutz vor oder gegen was. Es gab dann entsprechend Feuergilden, Gilden zur Verteidigung der Stadtmauern, es gab Totengilden - auf das man anständig von dieser Erde komme - , Gilden gegen Krankheiten, Not und Elend. So kam allmählich zum Gedanken der gegenseitigen Hilfe der Versicherungsgedanke in`s Spiel. Gegen ein Extra-Entgelt konnte man sich gegen alles mögliche versichern, gegen Sturmschäden und Wasserfluten, aber auch sein Vieh gegen Seuchen oder sein Getreide gegen Hagelschlag. Eine Besonderheit war folgende Regelung: Man brauchte nicht selber auf die Stadtmauer zu klettern um mit dem Schießgerät herumzuwerkeln, man konnte einen Knecht abstellen, der dann das Schießen zu erlernen hatte.
Der Begriff Gilde an sich ist mehrdeutig; Einmal in Richtung Bezahlung (das Wort Geld klingt durch), dann auch Opfer oder Opferschmaus und nicht zuletzt Bruderschaft. Das spiegeln die ältesten noch vorhandenen Statuten wider, so von der St. Knudsgilde, deren Mitglieder seinerzeit durch Eid verbunden waren, sie hatten noch die Pflicht zur Blutrache und erkannten Gottesurteile als Beweismittel an. Das Wort Gilde bedeutet auch Trinkgelage, der Begriff "Gelagskönig" für den Schützenkönig der Glücksburgischen Friedrichsgarde erinnert daran. Diese Gelage waren - profan gesagt - oftmals ein feierliches Besäufnis. Vielfältig daher die Regularien, um diese gesellschaftlichen Höhepunkte einigermaßen geordnet ablaufen zu lassen: Es gibt Strafen für Streithansel, Strafen für Bierverschütten oder für das willkürliche Zerbrechen des Trinkgeschirres. Aber auch - und das ist wirklich gut - für "Frauen und Jungfrauen mit unnützen Worten zu begegnen". Ein gewisser Verfall der guten Sitten gegen Ende des Mittelalters erschütterte auch die mittelalterlichen Bruderschaften, denen Martin Luther ja auch - man höre - "ihr heidnisches, ja säuisches Wesen" vorgehalten hatte.
War das Schießen ursprünglich reiner Verteidigungszweck gewesen, so hatte sich gegen Ende des 14. Jahrhunderts allmählich ein Vogelschießen entwickelt. Vornehmlich im 15. Jahrhundert bildeten sich sogenannte "Papagoyengilden", zum Zweck einmal jährlich einen Holzvogel abzuschießen; zum großen Teil waren das alte Gilden oder Teile davon. Und das waren letztlich die Anfänge unseres modernen Schützenwesen. Man hatte eben Spaß an der Freud!
Im Lauf der kommenden Jahrhunderte hat sich der Charakter der Gilden und auch der Friedrichsgarde naturgemäß weiter verändert. Aus einigen wurden Versicherungsgesellschaften, aus anderen Schützenvereine, die je nach Tradition und Neigung mehr zur Wahrung alter Bräuche oder mehr zum modernen Sportschießen neigen oder durchaus auch zu beidem. Eines aber haben die meisten beibehalten: Ihr jährliches Schützenfest. Dabei ist es in manchen Orten noch heute ehrenvolles Anliegen der Gemeinde selber, das Schützenfest auszurichten, mit allem was dazu gehört. Man denke nur an Hannover, wo vor einigen Jahren Vereine auf Teilnahme klagten, weil man sie nicht eingeladen hatte. Bei diesen Schützenfesten wird dann der ehrengeachtete Schützenkönig ausgeschossen. Dabei geht es neben Ruhm und Ehre auch um materielle Dinge, seien es in manchen Gegenden erheblichen Kosten der Pflichten der Königswürde - oder in früheren Zeiten die oft opulenten Preise. Schützenkönig zu sein ist für manchen ein hohes Ziel und er befindet sich in allerbester Gesellschaft: Prinz Ferdinand war bei der Garde dreimal König, Kaiser Wilhelm war 1906 König in Elmshorn, Kronprinz Peter von Holstein-Gottorf (der spätere Zar Peter III) war Schützenkönig in Neustadt. Seeteufel Graf Luckner gab sich die Ehre bei den Hamburgischen und die Schlesischen Beuthener konnten immerhin mit Paul von Hindenburg und mit Friedrich Wilhelm IV. von Preußen aufwarten.
Neben den klassischen Gilden und den Schützengesellschaften entstanden - meist im 18. Jahrhundert - noch die sogenannten bürgerlichen Garden oder auch Paradecorps, die wir kurz streifen müssen, spielen sie doch eine gewisse Rolle bei der Gründung unserer Friedrichsgarde. Diese Paradecorps sahen ihren Hauptzweck - wie man liest - "lediglich im Paradieren bei Anwesenheit fürstlicher Personen und in jährlich abzuhaltenden respectablem Ringreiten und Scheibenschießen". Das Reiten bezieht sich auf die besonders vornehme Flensburger Friedrichsgarde von 1743 des legendären Lokalhelden Franz Bäckmann. Die Mitglieder waren nur reiche junge Kaufleute mit prachtvollen roten Uniformen mit viel Gold abgesetzt. Sie hatten beritten zu sein; und zwar ausschließlich auf Rappen mit vergoldetem Pferdegeschirr und grünen Schabracken. Gregor von Rezorri hätte wohl gesagt: "Söhnchen vom fertigen Gelde!" 1851 endete dieses Prachtexemplar von Paradecorps, ihm war das Geld ausgegangen. In Flensburg gab es damals aber ein zweites Paradecorps, die Christiansgarde, wegen ihrer Uniformen auch "Grüne Garde" genannt. Sie war von dem Kaufmann A.P. Andresen gegründet worden, um auch einfacheren Bürgern zu Fuß die Möglichkeit zu geben, an dieser Art des gesellschaftlichen Lebens teilzuhaben. Und diese "Grüne Garde" treffen wir bei der Gründung der Friedrichsgarde bald wieder.
Und nun zur eigentlichen Gründung unserer Glücksburgischen Friedrichsgarde von 1801 e.V.:
Was war um 1801 ganz allgemein los in Kultur, Technik, Wissenschaft und Politik: Schiller schrieb die "Jungfrau von Orleans", Goya malte "Die Nackte Maja", Haydn komponierte "Die Vier Jahreszeiten" und Beethoven "Die Geschöpfe des Prometheus", während Gauß die Grundlagen der modernen Zahlentheorie veröffentlichte. Der Großglockner wurde erstmalig bestiegen und Berlin erhielt eine allgemeine Briefpost. Das Zeitalter der Dampfmaschine begann, es fuhr der erste Straßendampfwagen und - kaum bekannt und zu wenig wichtig genommen - Franz Carl Ashard eröffnete die erste Zuckerfabrik für Zucker aus Rüben - und die wuchsen bei uns.
Da durch Napoleons Wirken der Seehandel - besonders Englands - nicht mehr so richtig funktionierte, hatte man auch lange nach Ersatz für Rohrzucker gesucht. Und damit wären wir bei Napoleon, denn die Glücksburgische Friedrichsgarde ist letztlich Kind der politischen Wirren dieser Zeit. Und das kam so: Großbritannien hatte in seinem Bestreben um die Herrschaft auf See naturgemäß auch Zwistigkeiten mit Dänemark. So wurde im Sommer 1800 die dänische Fregatte Freja, die einen Konvoi von 6 Handelsschiffen begleitete, nach einem kurzen Feuergefecht samt Konvoi von britischen Kriegsschiffen aufgebracht. Dieser Streit jedoch wurde noch diplomatisch beigelegt, die Fregatte auf britische Kosten repariert und alle dänischen Schiffe freigelassen. Inzwischen aber hatte der russische Zar Paul I alle britischen Schiffe in seinen Häfen beschlag-nahmen lassen, als Racheakt für die Besetzung Maltas, wo Paul I seit 1798 Großmeister des Malteserordens war. Die Franzosen hatten ja 1798 Malta erobert, woraufhin Paul I der 2. Koalition gegen Napoleon beitrat. Die Engländer - auch nicht faul - hatten nun 1800 ihrerseits Malta annektiert. Daraufhin trat Paul I aus der 2. Koalition aus und stellte sich offen auf die Seite Napoleons und beschlagnahmte - wie erwähnt - englische Schiffe. Doch Paul I tat noch mehr: Er erneuerte im Dezember 1800 die sogenannte "Bewaffnete Nordische Neutralität" mit Dänemark, Preußen und Schweden. Das allerdings kam den Engländern einer Kriegserklärung gleich! England stellte daraufhin eine Flotte zusammen - unter dem Kommando von Lord Nelson und einem Sir Parker, der offiziell das Kommando hatte, aber wohl eher nicht entscheidend war. Die Flotte wurde dann am 12. März 1801 auf den Weg gebracht. Diplomatische Anfragen an Dänemark, um es von seinen Verbündeten in letzter Minute zu lösen, scheiterten. Am 21. März ankerte die britische Flotte dann im Sund, um dann am 2. April 1801 in der berühmten Seeschlacht von Kopenhagen zu obsiegen, die Seeschlacht übrigens, die Lord Nelson später als seine schwerste bezeichnet hat.
Geschichte wird oft durch Gegebenheiten interessant, die sich scheinbar nur am Rande abspielen. In die Rubrik "Ironie der Geschichte" gehört aber folgendes: Am 2. April fand eine todbringende Schlacht statt, die nicht hätte stattzufinden brauchen: Paul I war nicht sonderlich beliebt; er war despotisch und von willkürlich-kleinlicher Strenge in der Armee. Schlicht: Er war verhasst und so wurde er am 23. März 1801 von seinem Offiziercorps ermordet, und das zehn Tage vor der Schlacht. Er starb nebenbei eines unrühmlichen Todes, er wurde im Bett erstickt. Mit diesem Wissen - so auch englische Seekriegshistoriker - hätte diese Schlacht nicht stattgefunden. Aber bei der damaligen Nachrichtentechnik wusste man eben nichts. Nach der Schlacht wurde nach Schweden gesegelt, dort einigte man sich friedlich. Danach ging es nach Reval zum ärgsten Widersacher in der Ostsee. Der aber war ja tot und ein Sonderkurier des neuen Zaren Alexander I übermittelte, dass man keinerlei Interesse an Feindseligkeiten habe, und das war dann schon der 24. April 1801.
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Zurück zu der drohenden Kriegsgefahr im März 1801, also: Das Grollen dieses herannahenden Krieges war dem Amtshaus zu Flensburg natürlich nicht verborgen geblieben. Der verantwortliche Amtmann , Nicolay Theodor von Ployart, war der Annahme, dass die - mutmaßlich siegreichen - Engländer nach der zu erwartenden Niederlage der Dänen dann auch in die Gewässer der Herzogtümer einfallen würden, also auch in die Flensburger Förde. Flensburg wurde deshalb schon Anfang März in einen verteidigungsfähigen Zustand versetzt, die heutige Batteriestraße erinnert noch daran. Flensburg vorgelagert allerdings waren Glücksburg, Bockholm und weitere kleine Orte, deren Einwohner den Feind sicherlich als erste bemerken würden.
Deshalb beschloss Herr von Ployart die Rekrutierung eines Verteidigungscorps in Glückburg und Umgebung, er legte die Bedingungen fest, die sogenannten "Puncte worüber das freywillige Corps zur Verteidigung des Fleckens und des Schlosses Glücksburg bei etwaigem Ueberfalle einig geworden sind, und wozu er sich durch ihre Unterschrift verpflichtet hat:"
Danach folgen fünf Regularien im Einzelnen, was zu tun sei im Gefahrenfalle, wie das mit dem Gehorsam, der Pünktlichkeit und mit dem Umgang mit dem scharfgeladenen Gewehr wäre. "Und es wollte sich das Corps alles starcken Getränkes während der Zeit da er unterm Gewehr stehet enthalten". Dann wird doch festgelegt, dass der arbeitenden Klasse wegen die notwendigen Übungen um nach 6 Uhr abends stattfinden sollen; und zwar "in welcher Kleidung es ihnen beliebt, so wie überhaupt kein besonders Corps in besonderer Mundirung existieren wird." Diesen Punkten folgen 89 Unterschriften, resp. die vom Amtsschreiber geschriebenen Namen derer, die sich verpflichtet hatten. Man bedenke 89 Mann bei nur 90 Haushalten mit rund 500 Einwohnern seinerzeit in Glücksburg; der Jüngste war 19, der Älteste 74 Jahre alt. Vom Schloss waren 22 Bedienstete angetreten, die anderen waren größtenteils Handwerker, Bauern oder auch nur Tagelöhner. Und dadurch gab es ein neues Problem: Denn sie hatten weder ein Gewehr, noch Pulver und Blei. Es waren 54 Männer, die bei der Rubrik "fehlt es an beydem" unterzeichnet hatten. Also setzte Herr von Ployart am 28. März 1801 (diesmal mit Datum) erneut ein Schreiben auf. Die Bitte zur Spendensammlung zwecks Beschaffung der nötigen Bewaffnung wie folgt: "Wenn verschiedene Einwohner Glücksburgs durch handliche Umstände verhindert sein möchten, dem zur Verteidigung des Fleckens zu errichtenden Corps persönlich beyzutreten, so dürften diese zu den Bedürfnissen des Corps durch einen freywillgen Geldbytrag mitzuwirken nicht abgeneigt seyn." Die Sammlung erbrachte 151 Thaler, angeführt von Herzogin Anna Carolina und ihrem zweiten Ehemann Herzog Friedrich Carl Ferdinand; gefolgt von Glücksburger Bürgern, aber auch Herrn von Ployart persönlich mit 10 Thalern. Jetzt konnte jeder Mann dieser "Heimwehr" bewaffnet werden. Man übte sich im Schießen, man exerzierte und es wurde das Schloss bewacht; und das alles unter dem Befehl des bayerischen Rittmeisters, Tobias Peter von Wimpfen.
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Aber es hat kein Krieg, kein Kampf stattgefunden in Glücksburg oder Flensburg oder seiner Förde. Die Engländer hatten anderes im Sinn und somit war das Schützencorps eigentlich arbeitslos! Man wollte auch nicht "so mir nichts, dir nichts" auseinanderlaufen, wo man doch so schön bewaffnet war und sich fleißig im Schießen geübt hatte. Was lag daher näher als in die zivile Sparte zu wechseln und eine Schützengesellschaft zu etablieren:
So versammelten sich die Corpsmitglieder am 26. Juni 1801 und begründeten mit 15 Artikeln, die alle noch im Original vorliegen, eine Schützengesellschaft. Diese Statuten wurden unverzüglich dem Amtshaus mit der Bitte um Genehmigung vorgelegt. Die Erlaubnis folgte auf dem Fuße am 27. Juni 1801 in allen Punkten, aber mit der Ergänzung: "dass die Aelterleute jedes Mal den Beamten des Ortes vorher den Tag und den Ort des Scheibenschießens anzuzeigen haben", auf dass es "Keinem zu Schaden oder Nachteil gereichen könne". Die Schnelligkeit der Antwort lässt das große Interesse am Erhalt einer - wenn auch noch so kleinen und auch zivilen - Streitmacht erkennen; die Zeitläufe waren ja auch danach.